Falsch abgebogen

„Guten Morgen!!“

Alex hat gute Laune. Strahlen kommt er reingeschlendert, wirft seine Tasche in die Ecke und setzt sich. Und das an einem Montag zur 1. Stunde.

„Haben Sie gut geschlafen?“

Ich bin irritiert. Alex ist normalerweise nicht so gut drauf. Er ist war einer meiner Sorgenkinder. Immer verpeilt, immer abgelenkt, nie motiviert, fragt regelmäßig was wir eigentlich grad machen, braucht jede Aufgabenstellung nochmal extra erklärt, weil die Konzentration nicht da ist. Halbjahresnote 4—–. Aber 3 Monate vor Toreschluss scheint er wach geworden zu sein, die mündlichen Beiträge wurden deutlichst(stst) mehr und besser, seine Testnoten verbesserten sich von 5 auf 2 (und ja…. ich habe ihn einzeln gesetzt und mit der Lupe überwacht… er hat garantiert nicht geschummelt sondern ehrlich seinen eigenen Kopf genutzt) und er fragt nur noch jede 2 Woche, was wir eigentlich grad machen. Also für seine Verhältnisse: Aktiv und motiviert dabei. Und jetzt sitzt er da, strahlte mich gutgelaunt an und beäugt mein Beamer, den ich grad aufbau.

„Schauen wir den Film weiter?“

„Ne, Alex, den schauen wir doch in Psychologie. Das hier ist Wirtschaft.“

Er nickt, sein Kopf sortiert diese Unmenge an Informationen. Ich fahr meinen Rechner hoch. Die nächsten Schüler kommen verschlafen in den Raum. Alex blödelt mit einem Kumpel. Einer der Reinkommenden bleibt stehen und starrt den blonden Wirrkopf an.

„Ey Alex, Alter, warum bist du denn hier?“

„Hä? Schulpflicht!“ (Gelächter aufgrund des coolen Konters)

„Alex du Schnarchnase… du bist doch überhauptnicht in diesem Kurs…“

„Äh… nicht? (verwirrter Blick, alle nicken, er schaut mich an) Herr Quer… das hätten Sie mir sagen müssen!!“

Ich zucke mit den Achseln. „Alex, ich hab dir gesagt, dass das hier Wirtschaft ist und nicht Psychologie. Du hast Wirtschaft überhaupt nicht belegt, solltest du langsam draufhaben, immerhin ist in 3 Wochen das Schuljahr vorbei.“

Alex ist nicht schockiert, er hat Übung im Konfus sein. Mit einem lockeren Spruch und unter allgemeinem Gelächter geht Alex dann mal seinen echten Kurs suchen.

Ein verpeilter Wirrkopf. Aber einer mit ner 3 von mir im Zeugnis.

Tag der Papierflieger

Zwei Stunden – Zwei Papierflieger


Psychologie in der 10. , 4 Stunde.

Nach einem Test mach ich gern was entspanntes. Da wir grad Lernpsychologie machen, war mal wieder die perfekte Gelegenheit handlungsorientiert Beobachtungslernen nach Bandura zu vermitteln. Die SuS bilden 4 Gruppen, legen eine Reihenfolge fest, in der sie arbeiten sollen und bekommen einen Stapel Kopierpapier.

Und ein Handout mit einer Faltanleitung für einen Papierflieger, eine original Bauanleitung eines Alphajets, herausgegeben vom Dorniermuseum. Nicht einfach!

Auftrag: Der Reihe nach Papierflieger bauen, Zeit per Handy stoppen, Ergebnis auf die Lehrkraft werfen und dann ist der nächste dran.

Lernziel: Die SuS erkennen, das die Zeiten immer kürzer werden, weil sie alleine durch das Beobachten lernen und potentielle Fehler vermeiden.

Der/die erste braucht meist so ca. 10 Minuten, wenn er/sie nicht entnervt aufgibt. Am Ende können auch schon mal Zeiten unter 2 Minuten rauskommen.

Dieser Kurs war nicht so schnell, die sonst so Selbstbewussten gaben nach 12 Minuten auf, meine nette aber nicht sonderlich helle Laura hatte es als erste nach 8 Minuten geschafft und war sichtlich stolz.

Alles in allem, eine lustige Stunde, perfekt nach einem Test


Szenenwechsel

Psychologie in der 9., 8 Stunde

Viel zu lange andauernde Pubertät paart sich (höhö, er hat paaren geschrieben) mit der 8. Stunde und einer zu früh kommenden Schuljahresenddemotivationsphase (höhö.. er hat …   äh… egal, bestimmt irgendwas mit Sex geschrieben).

Wenn man grade Kommunikationspsychologie macht, bietet es sich an auf hartnäckige Störungen der immer gleichen Person mal mit einem penetranten Hinterfragen und Analysieren dieses Kommunikationsversuches („Was möchtest du mir mit diesem Kommentar denn sagen?“  „Äh… nix?“  „Nein, nein, du wolltest mir was sagen, da möchte ich dir auch den Raum geben wahrgenommen zu werden…“) zu reagieren. Zum einen merkt der Schüler, dass es Aufmerksamkeit zu meinen und nicht zu seinen Bedingungen gibt, Klassenclownanfälle sind auf einmal gar nicht mehr soooo witzig und zum anderen helfen interessanterweise die anderen Schüler mit tatsächlicher Anwendung des Unterrichtsstoffes, in dem sie z.B. die störenden Kommentare nach v.Thun in ihre Ebenen zerlegen und analysieren, sie üben es quasi an einem realen Fall. Man merkt dabei auch deutlich, das die anderen SuS solche Störungen genaugenommen auch gar nicht so lustig finden.

Neu für mich dabei war, das der neben meinem unfreiwilligen Gesprächspartner Sitzende während dessen einen Papierflieger bastelt und mir an den Kopf warf.

Im anschließenden Gespräch über diesen nächsten, doch extrem respektlosen Kommunikationsversuch kam auch keine Entschuldigung oder ein Problembewusstsein irgendeiner Art zutage, nur lahme Erklärungen, die von einem profunden Nichtwissen physikalischer Grundlagen der Aerodynamik zeugten. Also bestellte ich den Schüler inklusive Logbuch nach der Stunde zu mir um auf diesem Weg mein Missfallen für Eltern und Klassenlehrer schriftlich zum Ausdruck zu bringen.

Ich schlug das Logbuch auf und just in dieser Woche zierte eine seitenfüllende Skizze eines behaarten Penis die Doppelseite. Künstlerisch nicht unbedingt wertvoll, aber doch mit einer gewissen  Detailverliebtheit und Protestattitüde. Kommentarlos dokumentierte ich das Verhalten, in dem ich um das Kunstwerk drum rum schrieb und gab das Logbuch dem versteinert schauenden Schüler zurück.

Ich bin gespannt auf die Unterschriften von Eltern und Klassenlehrer.

Einsamkeit. Oder: Elternsprechtag

Es ist Elternsprechtag. Alle Lehrer sind auf Klassenräume verteilt und harren der Eltern die da kommen (sollen) (könnten) (werden) (sollten) (angekündigt haben) (einbestellt wurden)(müssen).

Leerer Klassenraum.

Ruhe.

Einsamkeit.

Ich hätte gerne mit den Eltern einer Schülerin über die beeindrucke Leistungskonstanz ihrer Tochter geredet. Meine Notentabelle ist, egal ob mündlich oder schriftlich, einheitlich mit 5 beschriftet. Es ist wirklich schwer eine junge Dame differenziert am Unterricht zu beteiligen, wenn diese einem konstant den Rücken zu dreht, um mit den Personen hinter sich zu reden.

Ich warte.

Niemand kommt.

Einsamkeit.

Ich unterrichte 2 Nebenseitenwahlfächer. Nicht grad das wesentlichste im Leistungsmarathon auf dem Weg zum Abi.

Langeweile

Einziger Lichtblick: 2 Elternteile stecken den Kopf mal rein und wollten mir nur kurz mitteilen, das sie überhaupt gar nicht mit mir reden wollen, sondern mich nur mal angucken, weil ihre Kinder so begeistert vom Psychologieunterricht sind und so viel davon zu Hause erzählen. Ich werde kurz aber brachial über den Klee gelobt und dann wieder…

Einsamkeit.

Laaaaaaaaaaangweilig.

Furchtbar.

Ich schau nach nebenan. Wartelisten regeln den Zugang zum Mathelehrer. Besorgt und ärgerlich schauende Eltern stehen im Rudel herum und schleusen sich im 10 Minuten-Takt durch.   Seit 3 Stunden…

Ich überlege kurz.

Nein. Bin doch zufrieden.

Läuft.